Nikolaikirche der Hanse- & Lilienthalstadt Anklam

Geschichte der Nikolaikirche Anklam

Autor: Förderkreis Nikolaikirche Anklam e.V.

Letzte Aktualisierung:

Die Nikolaikirche blickt auf eine über 700-jährige Geschichte zurück, die im Folgenden näher beleuchtet werden soll.

Die Erbauung der Nikolaikirche

Abb. 1: St. Nikolai Anklam, Südwestansicht
Abb. vor 1906

Abb. 1: St. Nikolai Anklam, Südwestansicht,<br />Abb. vor 1906

Quelle: Museum im Steintor Anklam

Der genaue Baubeginn der, im Unterschied zur von der Geistlichkeit errichteten St. Marienkirche, von Anklamer Bürgern errichteten St. Nikolaikirche lässt sich heute nicht mehr nachweisen. Durch die erste urkundliche Erwähnung der Kirche im Jahr 1300 lässt er sich aber auf das Ende des 13. Jahrhunderts um das Jahr 1280 herum eingrenzen.

Der von Anfang an als gotische Hallenkirche geplante Kirchenbau wurde dabei, wie im Mittelalter üblich, von Osten begonnen. Die Außenmauern wurden dabei immer weiter bis zum Standort des Turmes verlängert. Nach Abschluss des ersten Bauabschnittes wurde die Westseite des Kirchenschiffes mit Brettern verschalt und das Gebäude damit schon, vor der Fertigstellung, mit den ersten Einbauten, z.B. des 1336 von Thedericus Nordow gespendeten Altars, für sakrale, damals noch katholische Zwecke genutzt werden.

Die drei in den Jahren 1411, 1450 (Apostelglocke) und 1462 gegossenen und bis zum Ende des 2. Weltkrieges vollständig erhaltenen Glocken lassen mutmaßen, dass zu diesem Zeitpunkt der Bau des Turmes schon weit fortgeschritten oder vollendet war. Als Abschluss des Baugeschehens wird heute der im Jahr 1498 erfolgte Einbau des Chorgestühls angenommen.

Der Turm der Nikolaikirche

Abb. 2: St. Nikolai Anklam, Südostansicht,
Abb. nach 1909

Abb. 2: St. Nikolai Anklam, Südostansicht, Abb. nach 1909

Quelle: Museum im Steintor Anklam

Der Turm der St. Nikolaikirche, der unter anderem den Glockenstuhl enthielt, besaß noch eine weitere Aufgabe. Die Erbauer der Kirche planten den Turm als Lotsenzeichen für die ausfahrenden und heimkehrenden Seefahrer und Fischer. Das erklärt die hohe Ausführung des Turmes und seiner Spitze mit 103 Metern.

Die Drehung der Turmspitze des Nikolaikirchturm selbst regte in Anklam und Umgebung zu vielen Legenden und Sagen an, so zum Beispiel, dass der Teufel höchstpersönlich bei dem Griff nach einem ihm besonders verhassten Predigers diesen verfehlte und statt dessen die Spitze verdrehte.
(Nachzulesen in der Sage Die gedrehte Kirchturmspitze von St. Nikolai in Anklam)

Eine andere Legende legt nahe, dass die Spitze von den Handwerker mit Absicht schraubenförmig gebaut wurde. Reg.-Baumeister Dähne aber bezweifelte dies in seinem Artikel >Ueber die Nikolaikirche in Anklam (1906) und vermutete als Ursache für diesen Zustand eher einem starken Sturm und verwies dazu auf geborstene Sparren und schiefe Verbände.

Über die ursprüngliche Eindeckung der Turmspitze der St. Nikolaikirche ist heute nichts bekannt, aber nach einem Gewitterschaden im Jahre 1574 wurde der Helm des Turmes mit Kupfer im Wert von 13795 Mark 15 Schilligen 10 Pfennigen gedeckt.

Die Reformation

Abb. 3: St. Nikolai Anklam, Kanzel, Abb. nach 1909

Abb. 3: St. Nikolai Anklam, Kanzel, Abb. nach 1909

Quelle: Museum im Steintor Anklam

Die im Jahre 1534 in der St. Nikolaikirche eingeführte Reformation hatte für die vorher im katholischen Ritus genutzte Kirche einige Folgen. Mit der wechselnden Funktion hin zur Predigtkirche reichte der Platz für die Gäste nicht mehr, da die Kanzel ziemlich in Mitte der Kirche an einem Pfeiler der nördlichen Pleilerreihe im Kirchenschiff angebracht war. Um mehr Platz zu schaffen, erfolgte der Einbau von Kapellen an der Südseite der Nikolaikirche. Weitere Einbauten, die das Äußere der Kirche veränderten, erfolgten bis auf die in und an der Kirche errichteten Grabkapellen nicht mehr.

Die Innungen und die Gestühle

Mit dem Aufblühen der Handwerksinnungen erfolgte auf Initiative vieler Innungen im Zeitraum von 1501 bis 1807 in der Nikolaikirche der Einbau von weiteren Emporen und Gestühlen, dessen Nutzung den Meistern der Innungen vorbehalten war. Folgende Innungen hatten Emporen und Gestühle in der St. Nikolaikirche
(Quelle: Ueber die Nikolaikirche von Anklam, Reg.-Baumeister Dähne):

Abb. 4: St. Nikolai, Innenansicht nach 1909

Abb. 4: St. Nikolai, Innenansicht nach 1909

Quelle: Museum im Steintor Anklam
  • 1561: Innung der Haken (Kleinkrämer)
  • 1606: Innung der Böttcher
  • 1606: Innung der Gewandschneider
  • 1698: Innung der Schlosser und Schmiede
  • 1700: Innung der Bäcker
  • 1700: Innung der Bauern
  • 1717: Innung der Schuhmacher
  • 1794: Innungen der Garnweber
  • 1794: Innung der Schneider
  • 1794: Innung der Tischler
  • 1794: Innung der Schlosser
  • 1807: Innung der Drechsler
  • 1807: Innung der Kleidermacher
  • 1807: Innung der Schiffer
  • 1807: Innung der Zimmerleute
  • Innung der Brauer
  • Innung der Kaufleute

Die Restaurierung der Nikolaikirche in den Jahren 1873 und 1906-1909

Im Laufe der Geschichte von Anklam wurde von vielen Schäden an der Nikolaikirche und deren Reparaturen berichtet. Zwei größere Baumaßnahmen waren die Wiederherstellung im Jahr 1873 und die Restaurierung im Zeitraum von 1906 bis 1909, die auch größere Umbauten in und an der Nikolaikirche beinhalteten.

Die 1873 erfolgte Wiederherstellung der St. Nikolaikirche zielte darauf ab, den ursprünglichen gotischen Baustil der Nikolaikirche wiederherzustellen, wie sie in damaligen Lehrbüchern gelehrt wurde. Dazu wurden mehrere im Mittelalter errichtete Kapellen und Grabkapellen abgerissen. Die geplante Entfernung von Emporen und Gestühlen, wie bei vergleichbaren Maßnahmen in anderen Kirchen, wurde zum Glück für nachkommende Generationen nicht durchgeführt.

Abb. 5: St. Nikolai Anklam mit eingerüsteten Turm, 1906-1909

Abb. 5: St. Nikolai Anklam, 1906-1909

Quelle: Museum im Steintor Anklam

Die St. Nikolaikirche von Anklam war zum Anfang des 20. Jahrhunderts in einem bedenklichen Zustand. Der Superintendent Täge musste die Kirche am 16. Januar 1906 polizeilich sperren lassen, weil sich im Vorfeld Steinbrocken von den Gewölbedecken gelöst hatten und ins Kirchenschiff gestürzt waren.

Die im Zeitraum von 1906-1909 vorgenommenen Bau- und Restaurierungsarbeiten umfassten den Turm, wo zum Beispiel die Turmgiebel erneuert wurden, und das Kirchenschiff. Im Kirchenschiff wurden bei Reparaturen am Mauerwerk und am Gewölbe auch alte Freskenmalereien freigelegt und für die spätere weiße Bemalung der Kirche (Quaderoptik mit roten Fugen) aufgearbeitet. Mit Spenden von Anklamer Bürgern konnten außerdem neue Fenster, wie das von Paul Förster gespendete Nikolausfenster und die von den Geschwistern Halle gespendeten Chorfenster.

Gleichzeitig erhielt die Nikolaikirche neue Gestühle und neue Leuchter, und die alte Orgel wurde durch eine neue Orgel vom Orgelbaumeister Grünberg in Stettin ersetzt.

Die Kirche wurde am 23. April 1909 neu geweiht und der Anklamer Bevölkerung übergeben.

Der 2. Weltkrieg und die Zerstörung der St. Nikolaikirche

Der von Deutschland in die Welt getragene 2. Weltkrieg verschonte weder Anklam noch die St. Nikolaikirche. Während die schweren amerikanischen Bombenangriffe (z.B. am 09. Oktober 1943) das sakrale Gebäude bis auf Glasschäden verschonte, verloren viele Anklamer ihre Verwandten, Freunde und Nachbarn, ihre Existenzgrundlage oder im schlimmsten Fall ihr eigenes Leben.

Abb. 6: St. Nikolai Anklam zwischen den Ruinen bis zum 29. April 1945

Abb. 6: St. Nikolai Anklam zwischen den Ruinen (bis zum 29. April 1945)

Quelle: Museum im Steintor Anklam

Die St. Nikolaikirche stand bis zum 29. April 1945 zwischen den Ruinen der Wollweber-. Peen-, Nikolaikirch- und Brüderstraße und hätte mit viel Glück den Krieg überstanden, wenn nicht der Wahnsinn des Krieges noch letzte Verherrungen über die Stadt und die Nikolaikirche gebracht hätte. Bei einem deutschen Artillerieangriff auf die gerade von Kräften der Roten Armee besetzten Stadt wurde die Turmspitze der Nikolaikirche in Brand geschossen. Die brennende Turmspitze stürzte ins Kirchenschiff und brachte dabei das Dach und damit das Gewölbe zum Einsturz. Das in das Kirchenschiff getragene Feuer zerstörte die in der Kirche verbliebene, nicht auslagerbare, Einrichtung.

Eine weitere Folge des getroffenen Turmes war die Beschädigung des Glockenstuhls, was zu einem späteren Absturz der Glocken führte, den nur die Apostelglocke leicht beschädigt überstand.

Der fast ungestörte Dornröschenschlaf der St. Nikolaikirche

Die Einwohner von Anklam standen nach Ende des 2. Weltkrieges vor einer schwierigen Entscheidung. Die St. Marienkirche und die St. Nikolaikirche waren durch Kriegseinwirkungen stark beschädigt. Vor die Wahl gestellt, welche Kirche als erste wiederhergestellt werden soll, fiel die Entscheidung auf die ältere St. Marienkirche. Mit Baumaterial, das zum Teil auch aus der Ruine der St. Nikolaikirche geborgen wurde, konnte die St. Marienkirche bis 1947 mit einer neuen Turmspitze wiederhergestellt und eingeweiht werden, während die St. Nikolaikirche ohne Dach, nur aus dem Turm, den Umfassungsmauern, den Pfeilern im Kirchenschiff und Resten des Gewölbes, das in den Folgejahren restlos abstürzte, bestehend, neben dem Marktplatz der Stadt auf ihre Wiederherstellung wartete.

Abb. 7: St. Nikolai Anklam nach der Zerstörung

Abb. 7: St. Nikolai Anklam nach der Zerstörung

Quelle: Museum im Steintor Anklam

In den ersten ruhigen Minuten nach dem Ende des Krieges musste man außerdem feststellen, das viele der während des Krieges an verschiedenen Orten ausgelagerten Einrichtungsgegenstände dort den Krieg nicht überstanden hatten oder schlichtweg verschwunden waren. Die Apostelglocke fand nach ihrer Bergung aus den Trümmern im Turm in der wieder hergerichteten St. Marienkirche eine neue Heimat, wo sie mit den beiden neuen, aus Resten der zerstörten Glocken der St. Nikolaikirche gegossenen Glocken ein neues Ensemble bildete.

In den folgenden Jahren erfolgten nur die Überdachung der Sakristei und der südlichen Kapellen der Nikolaikirche und die Notsicherung des Turmes. Diese Baumaßnahmen erfolgten nur, um die Sakristei als Notbehelf für die noch in der Wiederherstellung befindlichen St. Marienkirche zu nutzen, während der Turm als Plattform für Funkanlagen genutzt wurde.

Abb. 8: St. Nikolai mit Turmhelm und überdachten Südanbau, vor 1990

Abb. 8: St. Nikolai mit Turmhelm und überdachten Südanbau, vor 1990

Quelle: Museum im Steintor Anklam

Die Nikolaikirche, dessen Wiederaufbau immer wieder im Gespräch war, aber am politischen Willen scheiterte, wurde während der folgenden Jahre und Jahrzehnte immer mehr zur grünen Oase inmitten der Stadt, die innen wie außen immer mehr mit Bäumen und Sträuchern zuwuchs. Die ebenfalls in den Schränken der Stadtplaner schlummernden Pläne zum Abriss der Nikolaikirche blieben zum Glück ein Schreckgespenst, welches nie das Tageslicht sah. Auch wenn in ihrem Turm keine Prinzessin wartete, so hätte sich die St. Nikolaikirche an ihrer statt auf den erlösenden Prinzen gefreut, der sie wieder ans Tageslicht und zu einer besseren Zukunft führt.

Der Förderkreis und der Wiederaufbau

Es war dann auch nicht der Recke aus den Märchenbüchern, sondern eine Gruppe von Anklamer Bürgern, die nach einem alarmierenden Bericht zum Zustand der Nikolaikirche zusammenfand und sich um die Kirchenruine bemühte. Am 7. September 1994 gründete sich nach etwas längerer Vorbereitung der Verein Förderkreis Nikolaikirche Anklam e.V. mit dem Ziel, die Nikolaikirche vor dem weiteren Zerfall zu retten, ihre Wiederherstellung voranzutreiben und sie einer neuen, öffentlich-kulturellen Nutzung zuzuführen.

Abb. 9: Nikolausfenster, *2004

Abb. 9: Nikolausfenster, *2004

© Peer Wittig

In den folgenden Jahren wurden mit aktiver Mithilfe des Förderkreises und Unterstützung der Hansestadt Anklam, der Stiftung Denkmalschutz und finanziellen Unterstützungen des Bundes, des Landes Mecklenburg-Vorpommerns und des Landkreises Ostvorpommern folgende Sicherungsarbeiten im Umfang von über sechs Millionen Euro durchgeführt:

  • Notüberdachung des Kirchenschiffes der Nikolaikirchruine (1995 & 1996)
  • Pflasterung des Kirchenschiffes mit Hervorhebung des Altars (1997)
  • Instandsetzung der Sakristei und Schließung der Fenster durch Mitglieder des Förderkreises (1999)
  • Erste Sicherungen der Fresken (-2000)
  • Sicherung der Mauerkrone (-2000)
  • Sanierung der Pfeiler im Kirchenschiff (2001-2002)
  • Einbau und Einweihung der Reproduktion des Nikolausfensters mit Spenden des Förderkreises (2004)
  • Sanierung des Turmes (2000-2010)
  • Einbau des Gedenkfensters (2009)
  • Einbau von Klarglas-Fenstern der Spendenaktion Namensfenster (2009-2014)
  • Abnahme des Notdaches und Errichtung eines neuen Daches in Form und Höhe des historischen Daches (2010–2011)
  • Einbau der Fensterscheiben der Spendenaktion Hanse-Wappenfenster (2010-2017)
  • Einbau der Lilienthal-Chorfenster nach Entwürfen des Künstlers Graham Jones (2014)
  • Sicherung des Südanbaus (2013-2014) und Einbau neuer Fenster in der Sakristei (2017)

Die Nikolaikirche wurde im Jahr 2000 wieder an die Einwohner Anklams übergeben und wird seitdem von der Hansestadt Anklam und von Vereinen für Ausstellungen, Konzerte und andere Veranstaltungen genutzt.

Um den Wiederaufbau weiter voranzutreiben, wurde die Nikolaikirche am 02. Oktober 2004 entwidmet und die Hansestadt Anklam für 99 Jahre (+ 50 Jahre Option) per Erbbaurechtsvertrag Bauherr und Eigentümer des Gebäudes.

Als ersten Schritt für den weiteren Wiederaufbau gab die Hansestadt Anklam eine Machbarkeitstudie zur Nikolaikirche (Kurzfassung - Adobe PDF*, 197 KB) in Auftrag, die mögliche Nutzunsvarianten und die dafür notwendigen Baumaßnahmen aufzeigen sollte. Sie wurde im Jahr 2006 in der Nikolaikirche der Öffentlichkeit präsentiert.

Die alternative Nutzungsvariante als Ikareon/Ikarion (heute Ikareum) wurde im Rahmen der Beratungen der Anklamer Stadtvertreter zur Machbarkeitsstudie von Mitarbeitern des Otto-Lilienthal-Museums Anklam präsentiert und beim Grundsatzbeschluss der Anklamer Stadtvertretung vom 26. April 2007 für eine zukünftige Nutzung der Nikolaikirche favorisiert.