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Nikolaikirche der Hanse- & Lilienthalstadt Anklam

20 Jahre Förderkreis Nikolaikirche Anklam e.V. - 07. September 1994 – 07. September 2014

Autor: Dr. Wilfried Hornburg

Letzte Aktualisierung:

In der über 700jährigen Geschichte der Anklamer Nikolaikirche drohte diesem gotischen Bauwerk zweimal die vollständige Zerstörung.

Einmal 1945, obwohl sie die vier Luftangriffe auf die Hansestadt Anklam im 2. Weltkrieg und die Einnahme der Stadt ohne größere Schäden überstanden hatte, versank sie am 29. April infolge Beschuss deutscher Flak in Schutt und Asche.

Nachdem fast fünf Jahrzehnte der Zahn der Zeit an der ungeschützten Ruine nagte und ein Gutachten den Einsturz prognostizierte, drohte in den 1990er Jahren der Totalverlust.

Klaus Jahns, Peter Kielmann und ich machten 1993 in Leserbriefen in der Anklamer Zeitung darauf aufmerksam und forderten die Anklamer Bürger auf, das zu verhindern.

Eine Bürgerinitiative konstituierte sich und schon im November 1993 vermeldete die Anklamer Zeitung die Gründung des Förderkreises Nikolaikirche Anklam/Vorpommern. Es war jedoch noch nicht die Förderkreisgründung, denn eine Satzung gab es noch nicht und auch ein Vorstand wurde noch nicht gewählt. Wohl aber war es die feste Absichtserklärung im Jahr 1994 die Gründung auch formell zu vollziehen.

Mit der Arbeit begann der sich fortan mit dem Zusatz „in Gründung“ bezeichnende Förderkreis sofort, denn die Sicherungsmaßnahmen waren dringendst erforderlich. Fast ein Jahr agierte der Förderkreis in Gründung, führte Verhandlungen, beantragte Fördermittel und plante die Überdachung der Ruine und die Sicherung der Fresken.

Bereits im Februar 1994 waren vom Förderkreis zur Rettung der Fresken initiierte Landesmittel eingegangen. Zusammen mit den Eigenmitteln stand ein Betrag in Höhe von 62.900 DM zur Verfügung. Der 1. Bauabschnitt der Freskensicherung konnte vollzogen werden.

Schon am 19. April 1994 erfolgte eine gemeinsame Beratung des Gemeindekirchenrates und des Förderkreises Nikolaikirche in Gründung. Die Versammlung beauftragte damals Peter Giese und mich mit der Formulierung von Nutzungsvorschlägen.

Auf einer Beratung am 26. Oktober 1994 im Rathaus, an der neben dem Gemeindekirchenrat und dem Förderkreis Vertreter des Konsistoriums, der Stadt und des Landkreises sowie der Denkmalbehörde teilnahmen, wurden die Vorschläge der Arbeitsgruppe bestätigt. Kern der Nutzung sollte die Schaffung eines großen Saales sein, der sich in vielfacher, vorwiegend kultureller Weise nutzen ließe, wie für Konzerte, Ausstellungen, Tagungen, Bürgerversammlungen, Theater- und Filmvorführungen sowie auch für kirchliche Veranstaltungen. Der Turm sollte auf jeden Fall zur Aussicht, also touristisch genutzt werden. Außerdem herrschte Einvernehmen darüber, die äußere Hülle des Gebäudes möglichst im ursprünglichen Zustand wiedererstehen zu lassen.

Doch es blieb nicht viel Zeit für konzeptionelle Überlegungen. Die Situation wurde akut, nachdem ein Gutachten von Prof. Dr. Riße aus Rostock vom 19. Juni 1994 besagte, dass infolge der Einwirkung von Wasser und Frost die Standsicherheit der Strebepfeiler gefährdet sei, bei einigen sogar akute Einsturzgefahr bestand. Bei Nichteinleitung von Sofortmaßnahmen war davon auszugehen, dass in den 1990er Jahren große Teile der Ruine einstürzen werden.

Somit war noch vor der eigentlichen Förderkreisgründung klar, die Ruine braucht ein Dach. Über eine Vereinbarung vom 16. Juni 1994 wurde geregelt, dass der Förderkreis mit eigenen finanziellen Mitteln und in Eigenverantwortung eine Noteinhausung der Nikolaikirche vornehmen kann. Endlich konnte ein entscheidender Schritt zur Sicherung der vorhandenen Bausubstanz in Angriff genommen werden. Noch 1994 erfolgte die Planung der Notüberdachung, deren erster Bauabschnitt 1995 begann und mit dem zweiten Bauabschnitt 1996 beendet wurde. Mehr als eine Million DM kamen zum Einsatz. Nur mit der Unterstützung der Hansestadt Anklam, die immerhin 15.000 DM in den Nachtragshaushalt einstellte, konnte der Eigenanteil aufgebracht werden.

Die offizielle Gründung des Förderkreises Nikolaikirche Anklam/Vorpommern erfolgte am 7. September 1994. Erster Tagesordnungspunkt war die Diskussion und Abstimmung über den durch mich erarbeiteten Satzungsentwurf, der von den acht Anwesenden auf der ersten Mitgliederversammlung bestätigt wurde. Das zweite wichtige Anliegen der Beratung war die Wahl eines Vorstandes. In diesen wurden einstimmig gewählt: Peter Kielmann als Vorsitzender, Dr. Wilfried Hornburg als stellvertretender Vorsitzender, Doris Maron als Schatzmeister, Rudi Damerow als Schriftführer und Peter Wagner als Vorsitzender des Beirates. Am 23.01.1995 ist der Förderkreis Nikolaikirche Anklam/Vorpommern mit Sitz in Anklam in das Vereinsregister eingetragen worden und trägt seit dieser Zeit den Zusatz e.V. (eingetragener Verein).

Parallel zu der Notüberdachung begannen 1996 Aufräumungsarbeiten im Kirchenschiff, denen 1997 die Pflasterung folgte. Mit dem Abschluss der Mauerkronensicherung 1999 waren die Weichen für eine weitere Nutzung der Nikolaikirche gestellt.

Ein Meilenstein war die erstmalige Öffnung der Kirche für Besucher im Jahr 1999, die vollständig ehrenamtlich abgesichert wurde.

Anlässlich des 720jährigen Baubeginns konnte im Jahr 2000 die erste Veranstaltungsreihe durchgeführt werden. Zu den Höhepunkten dieser hochkarätigen Reihe gehörten die Konzerte zum 250. Todestag von Johann Sebastian Bach unter der Leitung von Dirk Zotner; Berlin – Shanghai, Dialog der Klänge mit Gert Anklam; der Kultband Elektra mit „Tritt ein in den Dom“ und das Jazzkonzert mit Ruth Hohmann. Zu Lesungen kamen Helmut Sakowski und Hermann Kant.

Die in der Satzung des Förderkreises formulierte Zielstellung, die Nikolaikirche „auch schon vor der endgültigen Wiederherstellung einer öffentlichen Nutzung zuzuführen,“wurde damit erfüllt. Der erste und vielleicht schwierigste Schritt für den Wiederaufbau der Nikolaikirche, einst der ganze Stolz unserer Vorfahren, war damit vollzogen. Wie ein Gedenkstein in der Kirche dokumentiert, wurde damit die Nikolaikirche wieder der Anklamer Bevölkerung übergeben.

2001 bat der langjährige Vorsitzende, Peter Kielmann, darum, das anstrengende Amt nicht weiter ausfüllen zu müssen. Das ständige Ankämpfen gegen die vielen Hindernisse beim Wiederaufbau der Nikolaikirche hatte auch seine Kräfte stark beansprucht. Seine angeschlagene Gesundheit ermahnte ihn, kürzer zu treten. Er wurde zum Ehrenvorsitzenden ernannt. Als sein Stellvertreter wurde ich sein Nachfolger als Förderkreisvorsitzender.

Infolge von Bauarbeiten an den Pfeilern konnten 2001 und 2002 keine Veranstaltungen durchgeführt werden.

2003 ist das Kirchenschiff wieder vollständig nutzbar und lockt zahlreiche Besucher. Zu den Wiederaufbaukonzerten mit Stern Meißen, Lift, Berluc und anderen sowie den Ausstellungen, z.B. der Flugdrachen, kommen 12.000 Besucher.

Von nun an werden jährlich Wiederaufbaukonzerte, Kinderveranstaltungen, wie aus der beliebten Fernsehreihe „Zu Besuch im Märchenland“, Programmteile des Anklamer Hansefestes und Anklamer Adventsmarktes, der Empfang der Hansestadt Anklam, der Tag des offenen Denkmals u.a.m. in der Nikolaikirche durchgeführt. Die Nikolaikirche etablierte sich jetzt zu einem Veranstaltungszentrum und zu einer kulturellen Instanz in der Hansestadt Anklam.

Am 12. September 2004 beging der Förderkreis Nikolaikirche Anklam mit einer festlichen Matinee sein zehnjähriges Gründungsjubiläum in der Kirche. Allen Widrigkeiten zum Trotz konnte der Förderkreis auf eine stolze Bilanz verweisen. Die Nikolaikirche zählte im Jahr 2004 fast 14.000 Besucher. Zahlreiche Baumaßnahmen waren am Schiff und am Turm des gotischen Bauwerks durchgeführt worden oder liefen noch weiter. Der Förderkreis fungierte als Initiator, Bauherr und Fördermittelbeschaffer. Über Jahre förderten der Bund, die Stiftung Denkmalschutz, das Land und der Landkreis sowie die Hansestadt Anklam die Sicherung der Ruine und Ihren Wiederaufbau.

Als am 2. Oktober 2004 die Eigentümerschaft der Nikolaikirche per Erbbaurechtsvertrag von der Kirche an die Hansestadt Anklam übertragen wird, ändert sich die Situation grundlegend.

Bei allem baulichen Fortschritt erwiesen sich die fehlenden Fenster im Kirchenschiff zunehmend als Problem. Nicht nur, dass die Fenster die Augen eines Gebäudes sind, einer Kirche noch viel mehr, zeigte sich insbesondere bei der Durchführung der Veranstaltungen der große Nachteil der unverschlossenen Öffnungen. Störender Lärm von außen und starke Zugluft machten den Aufenthalt fast unerträglich. Deshalb begannen einige Unentwegte bereits 1999 mit der Schließung der Fenster. Unter abenteuerlichen Bedingungen stiegen wir auf lange Leitern und werkelten in luftiger Höhe umher, so, wie wohl auch schon die Erbauer der Kirche. Viele Fensteröffnungen wurden dabei mit Kunststoffscheiben verschlossen. Diese Provisorien leisteten über Jahre gute Dienste, z.T. bis heute.

Doch der Wunsch, richtige Fenster einzubauen, wuchs. Mit der Spendenaktion des Förderkreises „Fenster für unsere Nikolaikirche“, die seit 2004 läuft, war der Anfang gemacht. Aufgrund der guten Resonanz konnten später zahlreiche Fensterscheiben mit dem Namenszug der Spender eingebaut werden.

Das erste Fenster, das nach alten Vorlagen wieder hergestellt und eingebaut werden konnte, war das Nikolausfenster. Initiiert durch Dr. Peter Eggert und seine Spende ließ der Förderkreis nach alten Vorlagen das ehemalige Nikolausfenster wieder herstellen. Bemühungen seit 2001 um den Einbau des Fensters wurden immer wieder abgelehnt. Dann war der Einbau des Fensters zum Advent 2002 vorgesehen, um ein Zeichen für den Baufortschritt zu setzen. Auch daraus wurde leider nichts. Erst 2004 konnte das neue Nikolausfenster nach vehementer Unterstützung des Vorhabens durch den Bürgermeister Michael Galander feierlich eingeweiht werden. Ein Wahrzeichen der Kirche, ursprünglich 1909 von Paul Förster, dem technischen Direktor der Anklamer Zuckerfabrik gesponsert, erstrahlte in neuem Glanz.

Ein weiteres Bleiglasfenster, entworfen von dem leider 2010 verstorbenen Anklamer Künstler Jörg-Michael Breitsprecher, folgte 2009. Es erinnert an die Zerstörung der Kirche.

Aber noch immer hatte die Kirchenruine große fensterlose Öffnungen, die es zu schließen galt. Eines Tages kam mir die Idee, dass die Fenster der Nikolaikirche mit einem umlaufenden Band von Wappen der Hansestädte geschmückt werden könnten.

Immerhin hat oder hatte fast jede Hansestadt eine Nikolaikirche. Diese Kirchen der Kaufleute, Seefahrer und Fischer, deren Schutzpatron der Heilige Nikolaus war, sind ein verbindendes Band der Hanse und ihrer Städte.

Nach Klärung der Modalitäten konnte die Werbung für das Vorhaben im Jahr 2006 beginnen. Seit dem Hansetag in Lippstadt 2007 habe ich auch dort auf den jährlichen Delegiertenversammlungen die Werbetrommel für das Projekt gerührt.

Man war von dem Vorhaben immer sehr angetan, doch scheinbar hatten die meisten Delegierten im Alltag zu Hause dann schnell wieder alles vergessen. Auf den folgenden Hansetagen wiederholte sich das stets, doch einige beteiligten sich dann glücklicherweise doch an dem Vorhaben und verewigten sich hier mit Ihrem Stadtwappen. Den Anfang machte die Hansestadt Attendorn, der 2009 noch Osnabrück, Mühlhausen, Bremen und Lüneburg folgten.

Ein weiteres Problem und möglicherweise ein Grund, sich nicht zu beteiligen, war für einige Hansestädte der erforderliche Geldbetrag von 750 €. Selbst das Haupt der Hanse, Lübeck, musste mitteilen, dass die sehr angespannte Haushaltslage eine Beteiligung in absehbarer Zeit nicht zulässt (Mail vom 27.08.2009). Dass das nun gar nicht geht, dürfte klar sein. Nach Rücksprache mit meinem Hansefreund Hans Potratz, bekannt als Hanseradler, übernahm er diese Summe für seine Vaterstadt. Auch im Falle weiterer Städte sprangen Sponsoren ein, für Rostock das Büro der Hanse Sail, für Stettin Dr. Peter Eggert, für Stade der Rotary-Club Stade, für Herford die Pro Herford GmbH, für Korbach die Familie Kalhöfer, für Göttingen Luitgarda Rumann, für Deventer Günter Kropp und die Hansesänger und für Anklam die Firma Neuhaus und Partner.

Allen Förderern gilt ein großes Dankeschön für die großzügige Unterstützung.

Bisher schmücken 25 Wappenfenster das Kirchenschiff. Weitere sind in Arbeit und warten darauf, eingebaut zu werden.

Das Schöne an diesem Vorhaben ist, dass es für alle Beteiligten nur Vorteile bringt. Alle, die an diesem Projekt mitgewirkt und es unterstützt haben, leisteten einen wichtigen Beitrag dazu, den Wiederaufbau einer der ältesten Kirchenruinen zu beschleunigen. Für die teilnehmenden Hansestädte ist eine exzellente Werbemöglichkeit mitten in Europa gegeben. Die Hanse der Neuzeit schafft sich mit diesem „Wappensaal“ ein einmaliges Denkmal und dokumentiert dabei erneut ihre Geschlossenheit.

Anklam ist mit diesem Projekt erneut ein Vorreiter für den Hansegedanken. Vor fast 700 Jahren, 1330, wurde die Bezeichnung Hansestädte erstmalig in der Anklamer Krämerrolle verwendet. Es heißt dort: „Stralsund und andere Hanse-Stede, an der See gelegen.“ Heute verfügt die Hansestadt Anklam mit der Anklamer Nikolaikirche über einen Wappensaal der Hanse, den es nur hier in Anklam gibt. Insofern wäre Anklam prädestiniert für die Ausrichtung des Internationalen Hansetages der Neuzeit. Immerhin war Anklam bereits 1464 Tagungsort pommerscher Hansestädte und 1644 wurde nochmals ein Konvent pommerscher Hansestädte in Anklam abgehalten. Die altehrwürdige Hansestadt Anklam hätte es verdient, auch in der Hanse der Neuzeit als Gastgeber gewürdigt zu werden. Die Nikolaikirche mit ihrem hanseatischen Wappensaal könnte eine passende Lokalität für Veranstaltungen des Anklamer Hansetages sein.

 

Anklam, 07. September 2014

Dr. Wilfried Hornburg
Förderkreis Nikolaikirche Anklam e.V.
Gründungsmitglied,
stellvertretender Vorsitzender von 1994 bis 2001,
Vorsitzender von 2001 bis 2009